Auch die moralisch stärksten Personen haben mittlerweile erfahren: Kaum wer hat es nicht faustdick hinter den Ohren. Verheiratete Frauen und Männer suchen nicht selten das außereheliche Abenteuer oder sogar die außerehepartnerschaftliche Beziehung. Die oftmals gehörten Begründungen, dass ein Fremdgehen (One-Night-Stand) sich in der Laune einfach ergeben hat oder der Mensch seinen sexuellen Instinkten nicht entkommen kann, reicht vielleicht, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Wir möchten dieses Thema mal aus der gesellschaftlichen Perspektive betrachten.
Warum will Frau oder Mann so oft Sex haben?
Eigentlich könnte die Frage aus der Überschrift einfach zu beantworten sein. Ein Orgasmus beschert der Frau oder dem Mann einen glücklichen Moment. Nehmen wir beispielsweise an, 1 Orgasmus beschert dem Paar 30 Sekunden lang greifbares Glücksempfinden. Wenn das Paar in der Woche 21 Orgasmen hat, dann würde es beispielsweise 630 Sekunden Glück pro Woche erfahren. Doch wie erlebt das Paar die restlichen Sekunden, die es am Tag wach ist?
Daher stellen wir die Frage, wird Sex haben wollen so oft gewünscht, weil der Mensch einen animalischen Trieb besitzt (sexhungriges Tier) oder deswegen gewünscht, weil es dem Leben mehr Lebendigkeit, mehr Farbe verleiht?
Vergleich Tier und Mensch (sexhungriges Tier)?
Tiere folgen instinktiv ihrer Wesensbestimmung (einzeln und im Rudel) und sind wohl vollkommen glücklich, wenn die Natur ihnen alles bieten kann. Tier und Mensch sichern sich durch das instinktive Verhalten das Überleben und sind sich dabei im instinktiven Verhalten sehr ähnlich, zum Beispiel die Vorratshaltung von Nahrungsmitteln (Hamster, Eichhörnchen..). Jedoch im Vergleich zum etwas müden Menschen reagieren Tiere impulsiv und blitzschnell, wenn die Umgebung unwohl erscheint. Auch wühlen sich Tiere nicht in einem Tümpel von negativen Gedanken, sondern suchen direkt nach Lösungsmöglichkeiten. Der größte Unterschied ist aber wohl, dass der Mensch bevor er handelt, sich mit verschiedenen Szenarien von Möglichkeiten auseinandersetzen kann, diese miteinander vergleicht und dann seine Auswahl trifft (denken). Der Mensch ist kurzgefasst die etwas komplexere Gattung von Instinkten, Erbgut und gelernten Verhaltensweisen. Gemäß der Maslowsche Bedürfnishierarchie (1940, 1954?) unterscheidet sich der Mensch hauptsächlich vom Tier, wonach erst die physiologischen Bedürfnisse und dann die anderen Bedürfnisstufen erreicht werden wollen. Bleibt aber ein Bedürfnis in der Befriedigung aus, so sucht sich der Mensch in der Hierarchieebene eine neue Befriedigung. Beispielsweise wenn eine Person keine Liebe vom Partner erhält, wird dieses Bedürfnis im sozialen Umfeld (Freunde, Bekannte.. ) oder die Befriedigung auf anderen Hierarchieebenen gesucht.
Bedürfnispyramide oder Bedürfnishierarchie
Die Bedürfnispyramide wurde von dem amerikanischen Psychologen Abraham Maslow entwickelt. Die Bedürnisse können sich je nach Person und im Zeitverlauf des Lebens mischen und ändern. Außer, die physiologischen Bedürfnisse bleiben grundlegend für alle Lebewesen an erster Stelle wichtig.
Bedürfnispyramide oder Bedürfnishierarchie
nach Abraham Maslow
1. Physiologische Bedürfnisse
[ Grundbedürfnis, Existenzbedürfnisse ] wie Nahrung, Luft, Wasser, Schlaf und sogar die Sexualität
2. Sicherheitsbedürfnisse
[ in stabilen gesellschaftlichen Verhältnissen leben ] dazu gehört auch für die schlechten Zeiten vorzusorgen, als auch schmerzfrei zu leben
3. Soziale Bedürfnisse (Anschluss)
ob in einer Liebesbeziehung oder in der Gemeinschaft (Freunde, Arbeit ..) der Wunsch nach Anschluss i.e.S. Wertschätzung, Anerkennung, Liebe ..
Werden diese drei Bedürfnisse nicht erfüllt, entstehen Defizitbedürfnisse, die beim Menschen individuelle und zwischenmenschliche Störungen hervorrufen können.
4. Individualbedürfnisse
[ individuell kreativ sein und der Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit ]
5. Selbstverwirklichung
[ Wachstum seiner menschlichen und mitmenschlichen Potenziale ] mit dem Ziel der Unabhängigkeit und frei vom Denken anderer
Wortherkunft Arbeit?
Folgen wir der Bedürfnispyramide und verbinden dies mit der etymologischen Herkunft des Wortes Arbeit, so werden mehrere Dinge deutlich.
Wortherkunft Arbeit 1
- im althochdeutch erscheint es als „arabeit“ = Mühe und Last
- im germanischen „arba“ = Knecht
- französische Wort für Arbeit „travail“, zurückzuführen auf das leiteinische Wort „tripalare“ = quälen
Zu früheren Zeiten waren es die Sklaven, die sich um die Verrichtung der lastigen Arbeit kümmerten, während der freie Bürger sich ganz den philosophischen, künstlerischen und politischen Themen widmen konnte. Dabei wurden diese Tätigkeiten nicht als Arbeit definiert.
Bedürfnispyramide nur auf der ersten Ebene erfüllt?
Überfülle an Lebensmittel, Überfülle an Luxusgütern und anderen Dienstleistungen müssten doch annehmen, dass der Mensch in der westlichen Zivilisation seine Befriedigung finden müsste? Doch wenn man genauer blickt, so gibt es viele Menschen, die nicht zufriedenstellend die 2. und 3. Ebene mit Sicherheit- und sozialen Bedürfnissen erreichen. Und noch weiter entfernt sind viele Menschen von der Selbstverwirklichung.
Selbstverwirklichung unpassend?
Mit Selbstverwirklichung wird eine nicht egoistische Individualisierung verstanden, die frei von gesellschaftlichen Zwängen ist. Dieser Gedanke steht aber im Widerspruch zu den meisten geführten Gesellschaften, da es dann nicht mehr möglich ist, die Menschen zu willigen Arbeitern zu formen. Diesbezüglich möchten wir das Wort Selbstverwirklichung durch das Wort Lebensaufgabe ersetzen. Denn der Mensch sucht in seinem Leben, wenn auch zeitweise der Gedanke fernbleibt nach einer Lebensaufgabe, die passend zu seiner Persönlichkeit und damit zu seinen Stärken stehen, um unter anderem seine menschlichen und mitmenschlichen Potenziale zu entfalten. Nur so fühlt sich der Mensch wertvoll und als sinnvoll gebraucht. Wenn aber der Mensch mit seiner Gedanken-, seiner Gefühls- und Erfahrungswelt ums Überleben kämpfen muss und dabei sinnlose Tätigkeiten ausführen muss, desweiteren Erfolgserlebnisse und Bestätigungen ausbleiben, entstehen zeitweise Zweifel an der eigenen Identität (wer bin ich, wohin will ich? ..), die zu depressive Stimmungen, ja im weiteren Verlauf sogar zu Selbstablehnung führen können.
Lebendigkeit über Sex erfahren?
Wenn der Mensch in der sogenannten zivilisierten Welt das Glück nur mühsam findet, aufgrund der Beschränkungen aus dem Alltag, der Arbeitswelt, die die Entwicklung mehr beschränken als fördern (sinnlose und krankmachende Tätigkeiten) so bleiben die Ur-Grundinstinkte als einzige mögliche Befriedigung. Denn wenn der Geist (Intelligenz, emotionale Intelligenz, kreative Intelligenz, menschliche Intelligenz ..) keine befriedigende Lebensaufgabe (Selbstverwirklichung) gemäß der Maslowsche Bedürfnishierarchie erfährt beziehungsweise entwickelt werden kann oder einfacher gesagt die Kindheitswünsche der Potenzialentfaltung nicht verwirklicht werden können, werden sich die Ur-Grundinstinkte, um die einzige Lebendigkeit, ja vielleicht eine Art Geborgenheit im Chaos der Welt zu erfahren, verstärken.
Dies ist nur eine mögliche und gesellschaftliche Erklärung, warum Personen fremdgehen, sehr häufig Sex haben wollen oder beispielsweise übermäßig essen.